Unter Nachbarn

Unter Nachbarn

Drehbuch: Silja Clemens, Stephan Rick

Ein Augenblick, der alles verändert: David hat nicht aufgepasst am Steuer. Sein neuer Nachbar Robert sitzt neben ihm als er eine Frau anfährt und tödlich verletzt. Der Schock sitzt tief und Robert redet auf ihn ein, bis beide flüchten. Wenige Tage später lernt David die Schwester seines Opfers kennen und glaubt, seinen Fehler wieder gut machen zu können. Aber die aufkeimende Beziehung zwischen David und Vanessa ist Robert ein Dorn im Auge und der hilfsbereite Nachbar mutiert für David zum Albtraum.

DE · 2011 · Laufzeit 95 Minuten · FSK 12 · Drama

Drehbuch: Silja Clemens, Stephan Rick
Regie: Stephan Rick
Produktion: Kurhaus Production
Sender: SWR
Verleih: Universum Film

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Shanghai International Filmfest Wettbewerbsbeitrag Bestes Drehbuch • Fancine Film Festival Malaga Nominierung • Metropolit Regiepreis für Stefan Rick • Goldene Kamera 2013 für Charlie Hübner Nominierung • Deutscher Schauspielerpreis 2013 für Charlie Hübner

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ARD-ThrillerMein Nachbar, der Psycho

Der schlimmste Horror? Das ist der Typ von nebenan. In dem ARD-Thriller „Unter Nachbarn“ hilft der großartige Charly Hübner einem neuen Freund erst mit dem Hammer aus – und wird dann selbst handgreiflich.

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Mit Nachbarn ist nicht zu spaßen. Du fragst sie nach Salz – und sie öffnen dir ihre Seele. Du grüßt freundlich – und sie werten das als Liebesbeweis. Das unverbindliche Nebeneinander verwandelt sich nicht selten in ein inniges Miteinander, um in einem erbitterten Gegeneinander zu enden. Nachbarn können deine schlimmsten Feinde sein, denn sie wissen alles über dich, die Frontlinie zu ihnen bildet nur eine dünne Wohnungswand oder ein paar Meter Hecke. Deshalb ist der Schrecken von nebenan bester Psychothriller-Stoff: My home is my horror.

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Der ARD-Film „Unter Nachbarn“ setzt die klassische Erzähllinie des Nachbarschaftsthrillers formvollendet um. Produziert wurde das Werk vom SWR als günstig budgetiertes Debüt, zur TV-Erstausstrahlung wurde es zu Recht in die Primetime des Ersten gehoben. Gedreht hat man den Neunzigminüter – wie die Produzenten es formulieren – an den kurzen Tagen und langen Nächten des Herbstes. Viel Schwarz und ein paar Sonnentupfer, das sind die sparsamen Lichtverhältnisse, in denen die Geschichte ihren Lauf nimmt.

Der düstere Film spricht trotzdem alle Zuschauer an. Denn wer hat sich nach einem Umzug nicht schon mal gefragt, wie wohl die neuen Nachbarn sind. So wie David (Maxim Mehmet), der ein Einzelhaus erworben hat und nun bei Robert (Charly Hübner) klingelt, um sich einen Hammer zu borgen. Wenig später, wie nett, steht der Nachbar auch schon im Zimmer, um die Schränke aufzubauen. Und kurz darauf sitzen die beiden dann bereits im Auto, um in der Disco um die Ecke was zu trinken. Auf dem Weg zurück überfahren sie eine junge Frau – und lassen sie tot am Straßenrand liegen.

Candlelight Dinner mit einem Soziopathen

Für Nachbar Robert – offensichtlich ein Typ mit etwas verqueren romantischen Vorstellungen – stellt der Unfall mit Fahrerflucht den Beginn einer wunderbaren Freundschaft dar. Leidenschaftlich kümmert er sich um die Beseitigung aller Spuren, und um den neuen Freund wieder auf Vordermann zu bringen, kocht er ihm selbstgefangenen Lachs oder Dorsch. Doch dann sieht Robert die verschworene Zweisamkeit mit David in Gefahr: Der andere lernt die Schwester des Todesopfers kennen (Petra Schmidt-Schaller), verliebt sich in sie und will ihr den wahren Tathergang gestehen.

Regiedebütant Stephan Rick gelingt es tatsächlich, den Nachbarschaftsschocker als doppelte Lovestory zu erzählen: Hier die Liebe zwischen der jungen Frau und dem jungen Mann, der die Schwester totgefahren hat. Dort die unerwiderte Liebe des Nachbarn, die zu fatalen Eifersuchtsattacken führt. Filmemacher Rick ist schlau genug, diese schwierige emotionale Gemengelage nicht als Laber-Kintopp in Szene zu setzen. Die Dialoge sind knapp, die homoerotischen Untertöne subtil, die Schauspieler agieren zurückgenommen.

Und doch höchst effizient: Das negative Kraftzentrum bildet Charly Hübner als ewig hilfsbereiter Soziopath. Wo der Quadratkopf als burschikoser Asi-Bulle im Rostocker „Polizeiruf“ pure Aktion ist, da verkörpert er in „Unter Nachbarn“ die Introvertiertheit in Person. Wutausbrüche sind Roberts Sache nicht. Braut sich bei ihm was zusammen, dann dreht er einem seiner geliebten Zinnsoldaten still den Kopf ab. Später vergreift er sich dann auch an den Körperteilen echter Menschen.

Und trotzdem: Richtig bedrohlich wirkt Robert vor allem dann, wenn er aufrichtig zärtlich mit seinem Gegenüber spricht. Zum Beispiel als die Lage eskaliert und er dem geliebten Nachbarn mal wieder einen köstlichen geschmorten Dorsch zubereitet hat. Da empfängt er David in dessen eigener Wohnung mit geradezu ehelicher Vertrautheit, auch ein paar Kerzen sind angezündet. Während er auf den Fisch zeigt, zwinkert er dem anderen zu: „Ich dachte, wir machen uns mal wieder ein richtig ruhigen Abend!“

Eine Szene, die mit sanftem Aberwitz die ganze brutale Wahrheit dieses Films auf den Punkt bringt: Gute Nachbarschaft kann tödlich sein.